Freitag, 24. Dezember 2010
9.Bärenfels Heiligabendmarathon
Was tut man nicht alles um unbedingt noch einmal einen Marathon in 2010 zu laufen. Da wird mal kurzer Hand der Siebengebirgsmarathon abgesagt und schon ist alles dahin. Wofür die Quälerei nach der überstandenen Verletzung? So kann man doch nicht ein Jahr abschließen. Ein Marathon muß noch gelaufen werden in 2010. Unbedingt!
Es gibt eine Alternative, der Bärenfels Heiligabendmarathon. Los geht's anmelden!
Also fleißig weiter trainieren im Schneechaos. Und genau da passiert das Unglück. Beim Bergtraining im Odenwald rutsche ich beim runter laufen vom Melibokus aus, und falle auf Knie und Brustkorb. Die Prellung und Schmerzen am Knie lassen schnell nach. Aber von Tag zu Tag wird das Luft holen schmerzhafter. Überhaupt die ganze Rippengegend ist druckempfindlich und schmerzt. Untersuchung ergibt, Rippenprellung oder sogar gebrochen. Machen kann man da nichts. Es gibt ein paar Schmerzmittel um das Ganze erträglicher zu machen.
Egal wie, Hauptsache noch mal einen Marathon laufen in 2010
Aufstehen am Heiligen Abend um 3:30 in der Früh! Müsli, Brote, Taschen ins Auto und ab in Richtung Bärenfels. Noch sind die Autobahnen entgegen aller Witterungsprognosen frei. Aber kurz vor Hoppstädten-Weiersbach fängt es immer heftiger an zu schneien und das Thermometer zeigt -5°Grad.
Startunterlagen gibt es im Campusgelände. Schnell mal hin und alles klar machen. Das Campus Gelände ist riesig. Keine Menschenseele zu sehen. Nur ein Cafe hat offen. Ein paar Läufer sitzen drin. Ich parke den Wagen auf einem völligst vereisten Parkplatz, da sonst nichts auf der abschüssigen Straße frei ist. Im Cafe sagt man mir, dass es die Startunterlagen irgendwo in der Nähe vom Start gibt. Aber so genau kann mir das auch niemand sagen. Sehr seltsam alles. Ich gehe zurück zum Wagen will losfahren, aber keine Chance. Die Antriebsräder haben sich inzwischen im Eis eingebuddelt. Super! Und nun? Zu Fuß weiter. Immer noch dunkel draußen, nichts zu sehen. Die Straßen sind spiegelglatt. Ich laufe ein paar hundert Meter den Berg hinunter. Nichts zu sehen von Anmeldung. In der Ausschreibung stand ja auch im Campusgelände. Also laufe ich wieder nach oben. Es ist saukalt. Das ganze Campusgelände suche ich ab. Nichts!
Nochmal zurück ins Cafe. Zum Glück ist dort noch jemand der auch zum Start will. Er nimmt mich in seinem Auto mit. Der Weg ist doch sehr weit, das hätte ich zu Fuß nie geschafft. Vor allem nicht mit voll bepackter Tasche.
Der Start und gleichzeitig das Verpflegungszentrum befindet sich in einem Tunnel.
Verpflegungszentrum, Startunterlagen, Rennleitung, Taschendepot alles im Tunnel untergebracht.
Es ist saukalt, spiegelglatt, mein Auto steckt fest und vor mir liegen noch 42,2km Marathon im Tiefschnee. Was gibt es schöneres?
kurz vorm Start ein Blick auf die Laufstrecke Fotoquelle laufticker.de
8:00Uhr. Noch ein paar Worte vom Orgateam, von wegen andere Strecke, vereiste Wege, vorsichtig laufen usw. Raus in den Tiefschnee, bei Schneefall und -5°Grad. Perfekt!
Los gehts in den Eiskanal. Gerade mal zwei Spuren im Schnee führen vom Start weg. Überholen erst mal unmöglich. Rechts und links beleuchten Fackeln den noch dunkeln Weg. Neuer Schnee kommt von oben.
los gehts, start frei für den Heiligabendmarathon Fotoquelle laufticker.de
9 Runden soll das jetzt so weiter gehen. Strecke ist leicht ansteigend. Die Unterführung der Autobahn kommt. Für ein paar Sekunden festen Beton unter den Füßen. Dann wieder weiter im Schnee.
erster leichter Anstieg nach der Autobahnunterführung Fotoquelle laufticker.de
Inzwischen nur noch eine Spur zum laufen. Wer überholen will, muß für ein paar Meter in den Tiefschnee. Nur so geht es.
wer überholen will, muß die Spur verlassen Fotoquelle laufticker.de
Zur rechten jetzt ein malerischer See in der Winterlandschaft. Es paßt einfach alles wenn man bedenkt, dass heute doch der Heilige Abend ist. Aber zum Marathon laufen ist das schlicht und ergreifend eine absolute Katastrophe.
Winterliche Idylle, zum Marathon laufen eher ungeeignet Fotoquelle laufticker.de
Der Unmut der Läufer/innen wächst. Fast jeder meckert vor sich hin. Ich auch. Es geht kaum vorwärts auf dem schwer zu laufenden Untergrund. Ich überschlage schon mal die mögliche Endzeit um die 4 Stunden 30. Hier fehlt es an jeglicher Motivation irgendwie schneller zu laufen. Es würde sowieso nicht funktionieren, da jedes Überholmanöver im Tiefschnee so viel Kraft kostet, dass man spätestens nach 2 Runden platt ist. Immer noch ansteigende Strecke. Plötzlich verwirrende blaue und auch gelbe Markierungen im Schnee. Hier ist die Verzweigung der Strecke. Ich laufe einfach den anderen hinterher. Wird schon passen. Der Weg wird nun noch ungemütlicher. Die Laufspur läßt gerade mal so 2 Füße in der Breite zu.
2 Schuh breite Laufwege Fotoquelle laufticker.de
Obwohl die Veranstalter alles erdenkliche versucht haben um die Strecke zu präparieren, ist es mehr als grenzwertig hier zu laufen. Jetzt kommt ne ganz spitze Kurve und weiter geht es den Berg hinauf. Dies ist auch gleichzeitig das steilste Stück. Die ersten gehen bereits. Das macht jetzt ganz schön zu schaffen. Ich merke die Rippenverletzung bei Luft holen. Ob ich das 9 Runden durchhalte? Ein Glück, die höchste Stelle der Strecke scheint erreicht zu sein. Jetzt geht es erst einmal runter. Wieder blaue Markierungen im Schnee, damit man auch schön auf dem Weg bleibt, den man eigentlich nur erahnen kann. Die Schleife ist gelaufen und wir kommen jetzt wieder auf den Streckenteil der runter zum Start führt. Hier ist jetzt mit Gegenverkehr zu rechnen! Wie soll das funktionieren bei gerade mal einer Spur? Ganz einfach. Es gibt 2 Möglichkeiten. Man hält an und stellt sich kurz in den Tiefschnee auf die Seite, oder man läuft ein Stück im beschwerlichen Tiefschnee weiter. Das kann es doch nicht sein, oder? Gegenverkehr im Eiskanal. Gleich zwei mal pro Runde. Beim hochlaufen und wieder beim runterlaufen. Damit hat man über die Hälfte der Runde mit Gegenverkehr zu kämpfen! Jetzt bin ich echt am überlegen, ob ich nicht abbrechen soll. Das hat doch nichts mehr mit laufen zu tun. Die Füße sind schon jetzt total durchgeweicht. Wieder unter der Autobahn durch. Jetzt wenigstens 2 Spuren bis runter zum Start/Ziel Bereich. Rein in den Tunnel. Die erste Runde ist geschafft. Am Verpflegungsstand jetzt schon viele Läufer/innen.
Heiße Getränke sind sehr willkommen Fotoquelle laufticker.de
Wendepunktmarkierung im Tunnel. Fotoquelle laufticker.de
Ich gehe in die 2. Runde. Das Ding wird hier zu Ende gelaufen. Egal wie! Den Hohn und Spott zu Hause möchte ich mir wirklich nicht antun. Jetzt ist natürlich auch beim Anstieg schon der Gegenverkehr. Die Hoffnung, dass die Strecke besser wird gebe ich nach einer weiteren Runde auf. Der Neuschnee macht die Spurrillen teilweise sogar noch enger. Irgendwie nur zu Ende laufen. Zeit völlig egal. Ich bin hier sowieso nur im jogging Tempo unterwegs. Mehr geht ja auch nicht. Irgendwann wird die Strecke noch voller. Ja es gibt noch eine Steigerung. Die Teilnehmer des 9,2km Laufes werden jetzt auch noch für 2 Runden auf die Strecke geschickt. Na prost Mahlzeit. Wenigstens gibt es ab und zu ne nette Unterhaltung auf der Strecke und man kann gemeinsam über die ausweglose Situation jammern. Gemeinsam meckern gibt Kraft für die nächsten Runden. Doch leider steigt mein Gesprächspartner aus Bensheim nach der 5.Runde aus. Seine Laufkumpels wollen nach Hause. So ein Mist, jetzt geht es wieder ganz alleine weiter.
Mir reicht es eigentlich schon, aber aufgeben geht ja gar nicht Fotoquelle laufticker.de
Noch 4 Runden. Es ist zum kotzen. An den Steigungen gehen die meisten. Aber fast jeder macht bereitwillig Platz und läßt die noch laufenden vorbei. Die Teilnehmerzahl schrumpft von Runde zu Runde. 55 Marathonstarter waren es am Start. 38 davon haben tatsächlich die komplette Strecke absolviert. Ich kann es den 18 Aussteigern wirklich nicht verdenken. Hier ist man schnell mal umgeknickt wenn die Kräfte schwinden. Ich muß mit meinem erst kürzlich überstandenen Bänderriss mit Wadenbeinfraktur auch höllisch aufpassen dass hier nichts passiert. Das würde jetzt noch fehlen. Also ganz gemütlich zu Ende laufen. Aber in Runde 7 passiert es dann doch. Ich laufe nach dem Tunnel den leichten Anstieg hinauf. Da kommen mir eine Läuferin auf der einen Spur und ein Läufer auf der, inzwischen durch die Überholmanöver gebildeten 2. Spurrille entgegen. Niemand macht Platz. Da hilf nur noch eins. Ich weiche aus in die Mitte in den Tiefschnee. Obwohl ich selbst nur ne leichte Berührung wahrgenommen habe, liegt die Läuferin plötzlich im Schnee. Sie hat Schmerzen im Gesicht. Scheinbar muß sie an meiner Schulter hängengeblieben sein. Ja das tut natürlich weh! Nach ein paar Minuten hat Sie sich beruhigt. Zum Glück ist scheinbar nichts schlimmeres passiert. Ich will noch mit nach unten zum Start/Ziel Bereich kommen, aber Sie meint es geht schon, ich soll mich nicht verrückt machen und weiter laufen. OK, ich laufe weiter, aber ausblenden kann ich das erst mal nicht. Das macht mir schon Gedanken. Ich laufe die letzten beiden Runden einfach nur noch so durch. Ich will jetzt nur noch fertig werden. Ich bin total durchnäßt, die Schuhe quaken, das macht kein Spaß. Was habe ich alles unternommen um unbedingt in 2010 noch einen Marathon zu laufen. Aber trotz den extremen Bedingungen habe ich den ganzen Lauf keine Probleme mit der schlimmen Sprunggelenksverletzung vom September bekommen. Auch die Rippen merke ich kaum. Noch ein paar Meter und ist geschafft.
Endlich nach über 4 Stunden ist das Ziel erreicht Fotoquelle laufticker.de
Der Forerunner zeigt noch nicht mal 39km. Trotzdem ist es meine 9. und letzte Runde. Vielleicht durch den Tunnel, oder sonst irgendwas hat den GPS Empfang gestört. Ich frag' lieber nochmal bei der Rennleitung. Aber ich habe alle 9 Runden hinter mir. Bin also fertig und sogar 7. bin ich geworden in 4:06:54. Finisher Medaillen gibt es auch. Aber nicht so wie sonst, sondern als Lebkuchenherz.
Statt Medaillen ein Lebkuchenherz. Auch schön.
Wie geht es jetzt weiter. Ich muß doch irgendwie zu den Duschen kommen. Mein Auto steckt ja fest. Aber hier sind alle so hilfsbreit, da kommt sofort auch schon jemand vom Bärenfelsteam und will mir helfen, mein Auto von dem Parkplatz runter zu ziehen. Ne geschlagene halbe Stunde versuchen wir den Wagen vom spiegelglatten Parkplatz zu bekommen. Ich habe immer noch meine Laufklamotten an. Klatschnasse Füße, der Schneefall hört nicht mehr auf. Für heute bin ich wirklich total bedient. Endlich meint Smart hat wieder eine halbwegs befestigte Straße unter den Rädern. Der nette Helfer vom Orgateam zeigt mir sogar noch den Weg zu den Duschen, den ich im Leben nie gefunden hätte.
Warme Duschen. Die ganzen Füße brennen. Alles tiefgefroren. Ich weis nicht mehr wie lange ich geduscht habe, aber so richtig warm ist mir immer noch nicht.
Die Siegerehrung findet im örtlichen Kino statt. Ein ganzer Kinosaal nur für uns Läufer. Klasse! Und auch das ist hier super familiär gemacht. Es wird jeder einzelne Teilnehmer aufgerufen. Dazu noch ein passender Spruch, ein schönes Geschenk und die Anerkennung für jeden, der heute dieses Drama mitgemacht hat. Sehr schöne Siegerehrung bei der mal nicht nur die Sieger und AK Platze im Vordergrund standen, sondern hauptsächlich die Teilnehmer. Klasse!
Die Heimfahrt über die inzwischen total verschneite Autobahn bekomme ich auch noch irgendwie geregelt. Jetzt noch schnell zum Weihnachtsessen bei den Eltern, und bloß nichts von den Strapazen des Marathons anmerken lassen, sonst wird das ein ungemütlicher Abend.
Vielen lieben Dank an:
-den Helfer vom Orgateam Bärenfels fürs Auto rausziehen und Weg zeigen.
-den Läufer aus Mannheim, der mich zum Start gefahren hat.
- Nicht zu vergessen natürlich alle Helfer und das Orgateam vom Bärenfels, die wirklich alles versucht haben die Strecke halbwegs zu präparieren.
- Gabi Gründling von laufticker.de für die meisten Bilder in diesem Bericht